Liebe Alea Horst, wie kam es, dass du Nothelferin wurdest?
Ich habe bis 2015 Hochzeiten auf Schlössern fotografiert, Dekoration, Torten, Brautkleider aus Spitze und die vielen Emotionen bei den Feiern festgehalten. Gleichzeitig sah ich im Fernsehen Bomben auf Aleppo fallen und Menschen, die an den Europäischen Außengrenzen angespült wurden. Ich fand das unerträglich, aber ich wusste nicht, was ich persönlich dagegen tun kann. Irgendwann aber musste ich handeln. Also habe ich auf der Insel Lesbos in Griechenland meinen ersten Hilfseinsatz gemacht. Erst dort habe ich das ganze Ausmaß dieser entsetzlichen Situation begriffen. Das hat mein Leben umgekrempelt.
Anschließend habe ich mich bei vielen Hilfsorganisationen beworben und mittlerweile über 20 Länder bereist. Häufig arbeite ich als Fotografin, aber ich packe überall mit an: Lebensmittel verteilen, Altkleider sortieren, Seenotrettung, Reports schreiben, bei der medizinischen Versorgung helfen und so weiter. In letzter Zeit spreche ich auch auf Demos zu Menschenrechtsthemen und organisiere Ausstellungen. Bald war klar, dass dies alles nicht als Freizeitbeschäftigung zu machen war. Also habe ich die Hochzeitsfotografie aufgegeben.
Warst du auch schon in gefährlichen Ländern?
Ich war in Syrien, Afghanistan, Äthiopien und Mexiko an Plätzen, wo andere wohl eher nicht freiwillig hingehen würden. Aber ich möchte so viel wie möglich verstehen und weiß, dass viele Menschen am liebsten in ihrem Heimatland bleiben möchten. Wenn ich dort ein Hilfsprojekt unterstützen kann, ist das einfach am nachhaltigsten. Mein Gefühl ist, dass wir, die wir privilegiert sind, den Menschen dort etwas schulden. Natürlich ist es gefährlich, und meine Familie macht sich oft Sorgen um mich. Aber sie unterstützen mich und wir sprechen viel über meine Erlebnisse. Wenn sie meine Bilder sehen, können sie verstehen, warum ich das mache. Und es wird sowieso für uns alle viel gefährlicher, wenn wir jetzt nicht handeln.
Man sieht immer viele Kinder auf deinen Fotos, warum ist das so?
Etwa die Hälfte aller Menschen auf der Flucht weltweit sind Kinder! Sie können überhaupt nichts für Krieg und Vertreibung und gleichzeitig fängt die Armutsspirale bei ihnen an. Wenn die Kinder nicht zur Schule gehen können, können sie später keinen guten Beruf lernen und sich selbst nicht genügend versorgen. Aus dieser Perspektivlosigkeit entsteht auch viel Gewalt und Extremismus. Außerdem liebe ich es, mit Kindern Quatsch zu machen. Sie kommen häufig einfach zu mir hingerannt und dann haben wir zusammen Spaß, mit Händen und Füßen.
Man sieht auch oft Menschen lächeln auf deinen Bildern, das ist ungewöhnlich.
Egal, wo ich bin, in Slums oder Elendslagern, die Menschen versuchen immer das Beste aus der Situation zu machen. Sie sind freundlich, laden mich zum Tee ein, haben Hoffnung. Sie haben eine Würde, die ich unbedingt achten möchte. Ich möchte sie nicht als Opfer darstellen oder Klischeebilder produzieren. Sondern sie als Mensch zeigen, der genauso ist wie du und ich. Der Träume hat und Wünsche, der lacht und weint und seine Kinder liebt. Jedes Foto ist außerdem ein Stück weit auch ein Spiegel des Fotografen. Ich begegne den Menschen freundlich und hoffe auf einen Dialog. Ich glaube, das merken sie. Sie lächeln zurück und vertrauen mir. Wenn ich fotografiere, bin ich sehr präsent. Ich mache das nicht heimlich, sondern bin irgendwie immer Teil der Szene.
Die Ausstellung mit Aleas Bildern kann bei uns ausgeliehen werden. Schreibt uns einfach an!